Wurzeln schlagen – Wie Klimaschutz Geflüchteten neue Perspektiven bietet

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Klimakrise und Migrationsbewegungen gehören zu den prägenden Herausforderungen unserer Zeit. Oft werden sie getrennt behandelt – als ökologische und humanitäre Themen. Doch in der Praxis überschneiden sie sich immer wieder. Besonders spannend wird es dort, wo Nachhaltigkeit und Integration aktiv zusammengedacht werden. Denn: Wenn Menschen, die neu in einem Land ankommen, nicht nur Unterstützung erfahren, sondern auch Zugang zu Klimakompetenz und aktiver Mitgestaltung erhalten, entstehen neue Perspektiven – für das Individuum und für die Gesellschaft.

In Österreich zeigen zahlreiche Projekte, wie Geflüchtete und Migrant:innen Teil der Lösung werden – sei es im Urban Gardening, im Umweltunterricht oder durch berufliche Orientierung in der Green Economy. Dieser Beitrag stellt inspirierende Beispiele vor, in denen Teilgabe und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen.

Gemeinschaftsgärten als Orte der Begegnung und Teilhabe

Gemeinschaftsgärten – auch bekannt als Community Gardens – entstanden in den 1970er Jahren in New York. Auf brachliegenden Flächen begannen Anwohner:innen, gemeinsam Gemüse und Kräuter anzubauen. Doch schnell zeigte sich: Hier wuchs nicht nur Nahrung, sondern auch Zusammenhalt, Selbstermächtigung und Nachbarschaft. Die Idee wurde später in Form sogenannter Interkultureller Gärten auch in Deutschland und Österreich aufgegriffen – mit dem Ziel, Begegnung zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft im Alltag zu ermöglichen.

Soziale, ökologische und pädagogische Wirkung

Gärtnern ist weit mehr als Pflanzenpflege. Wer gemeinsam gräbt, sät und erntet, teilt Raum und Verantwortung. In Gemeinschaftsgärten treffen Menschen mit und ohne Fluchterfahrung aufeinander – ohne formelle Barrieren. Es wird gemeinsam gearbeitet, gelernt und gelacht. Dabei entstehen Verbindungen, Sprachpraxis, Wissen über ökologische Zusammenhänge – und nicht selten auch Freundschaften.

Viele dieser Projekte verfolgen zugleich umweltpädagogische Ziele: Es geht um nachhaltigen Anbau, Biodiversität, klimafreundliche Ernährung und das Wiederentdecken von Pflanzenarten, die in städtischen Umfeldern fast verschwunden sind. Das Gärtnern wird so zum Katalysator für Bildung, Integration und Naturbewusstsein.

Green Skills für eine grüne Arbeitswelt

Ein besonders gelungenes Beispiel, wie Integration und Klimakompetenz verbunden werden können, ist das Projekt „Green Skills für die Kreislaufwirtschaft“ des Vereins Peregrina in Wien. Der Kurs richtet sich an Migrantinnen ab 16 Jahren, die Interesse an Green Jobs und Umweltthemen haben.

Der kostenlose Kurs kombiniert einen B2-Deutschkurs mit Fachsprache zur Kreislaufwirtschaft, bietet Berufsorientierung und Bewerbungstraining – und vermittelt damit gezielt Kompetenzen für Jobs mit Zukunft. Die Teilnehmerinnen lernen etwa, was zirkuläre Wertschöpfung bedeutet, wie nachhaltige Betriebe arbeiten und wie sie selbst in dieser Welt Fuß fassen können.

Verbindung von Empowerment und Klimakompetenz

Begleitet wird der Kurs von individueller Berufsberatung sowie von Exkursionen und Vorträgen von Akteur:innen der Green Economy. Damit wird nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch Selbstvertrauen gestärkt. „Green Skills“ werden so zum Instrument für Empowerment, wirtschaftliche Teilhabe und aktive Mitgestaltung einer nachhaltigen Gesellschaft.

Umweltbildung als Brücke – spielerisch lernen, gemeinsam handeln

Mit dem Projekt „zam.wachsen – Integration durch Umweltbildung“ hat GLOBAL 2000 als erste große Umweltschutzorganisation in Österreich gezielt Menschen mit Migrations- und Fluchthintergrund angesprochen. Der Fokus liegt auf Workshops, die Sprachförderung mit Umweltthemen verbinden – angepasst an verschiedene Sprachniveaus (A1–B1).

Die Themen reichen von Abfallvermeidung über Energieeinsparung bis hin zu nachhaltigem Konsum. Durch theaterpädagogische Methoden, Naturausflüge und spielerisches Lernen wird Umweltwissen greifbar – auch ohne perfektes Deutsch. Besonders erfolgreich: Onlineformate zu „Foodwaste“, die auch während der Pandemie Menschen erreicht haben.

Bildung, Natur und Begegnung

Ergänzt werden die Workshops durch gemeinsame Ausflüge in die Natur, bei denen Geflüchtete und Einheimische die österreichische Landschaft erkunden. So werden nicht nur ökologische Zusammenhänge vermittelt, sondern auch neue Erfahrungsräume jenseits des Alltags geschaffen – mit wertvollen Impulsen für Integration und Dialog.

GLOBAL 2000 bildet zusätzlich auch Trainer:innen im Bereich „DaF & Umwelt“ aus – ein nachhaltiger Multiplikator:innenansatz, der langfristige Wirkung entfalten kann.

Nachhaltigkeit beginnt beim Zugang – Bildung für alle

Im Open Learning Center (OLC) der Caritas Steiermark erhalten bildungsbenachteiligte Jugendliche und Erwachsene, viele davon mit Fluchterfahrung, gezielte Unterstützung in MINT-Fächern – insbesondere Mathematik, Elektrotechnik und Naturwissenschaften.

Die Umweltsystemwissenschaftlerin Omnia Metwaly, die als Tutorin und Projektkoordinatorin am OLC tätig ist, betont die Notwendigkeit, soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit zusammenzudenken. Ihre Projekte – etwa die „Sustainability Challenge“ oder der „Lange Tag der Energie“ – zeigen, wie wichtig Diversität für Innovation und langfristige Klimastrategien ist.

Bildung als Klima- und Teilhabeinstrument

Das OLC setzt auf einen barrierearmen, interdisziplinären Zugang zu Bildung: Workshops wie „Stereotypen im Bildungskontext“, „Lernen lernen“ oder „Prüfungsvorbereitung“ fördern nicht nur Fachwissen, sondern auch Selbstwirksamkeit und soziale Integration. Damit wird deutlich: Klimabildung ist keine Elitenfrage – sondern ein Schlüssel zur gesellschaftlichen Inklusion.

Fazit – Integration und Klimaschutz: Zwei Seiten derselben Zukunft

Was auf den ersten Blick wie zwei getrennte Themenbereiche wirkt – Fluchtmigration und Klimaschutz –, zeigt sich bei genauerem Hinsehen als doppelte Transformationsaufgabe. Projekte wie die hier vorgestellten beweisen: Wenn Nachhaltigkeit nicht nur ökologisch, sondern auch sozial gedacht wird, entstehen Räume für echte Teilhabe.

Integration wird dann nicht zur Pflichtaufgabe, sondern zur Chance für gegenseitiges Lernen, neue Perspektiven und gemeinschaftliches Handeln. Wer Klima schützen will, muss Inklusion ermöglichen – und wer Menschen einbindet, ebnet zugleich den Weg zu einer gerechteren und nachhaltigeren Gesellschaft.

Quellen und Links:

gartenpolylog: Karte und Liste von Gemeinschaftsgärten in Österreich
SOL-Magazin Nr. 46 zu Interkulturellen Gemeinschaftsgärten
Vortrag von Omnia Metwaly über das Open Learning Center Steiermark beim Anerkannt! Fachtag
Projekt zam.wachsen von Global2000
Verein peregrina: Green Skills für die Kreislaufwirtschaft