Müll

Eine Kreislaufwirtschaft der Zukunft

Ich möchte diesem Text einen Imperativ voranstellen. Wir leben in einer Zeit der Bewusstwerdung: Wir haben nur diesen einen gemeinsamen Planeten mit begrenzten Ressourcen. All unser Handeln hat ein Einfluss auf die Ökosysteme und das Klima. Der Schaden, den wir im Moment anrichten (Stichworte: Raubbau an der Natur und CO2-Fußabdruck), kann im schlimmsten Fall nicht nur alle Menschen im Jetzt betreffen, sondern auch künftige Generationen. Deshalb müssen wir endlich verstärkt beginnen, in Grenzen und Kreisläufen zu denken, und auch nur das produzieren, das wir auch wirklich brauchen! 

Grundkonzepte

Eine moderne Abfall- und Kreislaufwirtschaft greift diesen Gedanken auf und orientiert sich an den Fünf Grundregeln der Nachhaltigen Entwicklung. Wenn erneuerbare Ressourcen nur noch in dem Umfang verbraucht werden dürfen, wie sie sich regenerieren können (Regenerationsregel), und nicht erneuerbare in dem Umfang, wie sie durch erneuerbare ersetzt werden können (Substitutionsregel), dann verwandelt sich Raubbau in zukunftsorientiertes Handeln. Gleichzeitig darf die Abgabe von problematischen Stoffen in Luft, Wasser, Boden die Regenerations- und Selbstreinigungsfähigkeit der jeweiligen Biome nicht überfordern (Schadstoffregel). Jede Veränderung, jede Belastung muss das zeitliche Anpassungsvermögen mit einbeziehen (Zeitregel), damit natürliche Kreisläufe nicht zu kippen beginnen. Die Risikoregel besagt, dass die menschliche Gesundheit durch Umweltbelastungen nicht gefährdet werden darf. Ich würde dieses Prinzip – so weit möglich – gerne auf sämtliches Leben auf diesem Planeten ausdehnen. [1]

Gemälde von Lord Palmerston

Henry John Temple, 3rd Viscount Palmerston (1784-1865), britische National Portrait Galery

Die Klassische Abfallwirtschaft hat versucht die Probleme zu lösen, die Abfall verursacht. Ihr modernes Gegenstück versteht Abfall als Wertstoff, der bestmöglich in den Produktionskreislauf zurückgeführt werden muss. Oder wie schon Lord Palmerston sagte: “[…] dirt is only matter in the wrong place”. Österreich bewegt sich dabei im Rahmen nationaler und europäischer Gesetzestexte. [2] 

Das novellierte Abfallwirtschaftsgesetz [3] sieht eine fünfstufige Hierarchie für die Behandlung von Abfällen vor: beginnend bei Vermeidung, über Wiederverwendung und Recycling, bis hin zur möglichst zu vermeidenden Verwertung und Beseitigung. 

Deponiert (Beseitigung) werden nur mehr Abfälle mit weniger als 5% Kohlenstoff: überwiegend Problemstoffe, Bauaushub und Verbrennungsrückstände. Organischer Abfall wird recycelt, downcycelt, kompostiert oder zumindest thermisch verwertet. Was wiederverwendet wird, muss nicht (sofort) recycelt werden – so ist zum Beispiel der Altwarenmarkt (Secondhandmarkt) der Wiener MA48 zu verstehen. Noch besser ist natürlich Abfall, der nie entsteht, unabhängig davon, ob der Grund der Vermeidung nun Konsumverzicht oder ressourcensparendes Design ist. 

Aber egal wie ausgefeilt ein Konzept zur Abfallbehandlung ist, es steht und fällt mit den Menschen, die diesen Abfall produzieren. Deshalb ist Bildung so auch zentral: Die Menschen müssen den Zweck des gerade in Grundzügen Beschriebenen verstehen. Dazu bedarf es bereits einer schulischen Aufklärung über den Sinn einer geordneten Abfallwirtschaft und eines Basiswissens in Ressourcenschonung und Abfalltrennung. 

Metallrad

Das Metallrad, der Treiber der Circular Economy (Reuter et al. 2019) | CC-BY-SA-4.0

Müll braucht Markt

Eine moderne Abfall- und Kreislaufwirtschaft kann nur funktionieren, wenn es für die Sekundärrohstoffe auch gesicherte Vermarktungswege gibt. Hier hilft eine Kombination aus Zuckerbrot und Peitsche: Pull-Effekte entstehen durch Förderung des Recyclingmarkts (Erleichterungen bei Zöllen, Steuern oder durch Subventionen), Push-Effekte durch Verpflichtungen der Hersteller zur Sicherstellung eines Recyclings ihrer Produkte. Ein Freikaufen der Firmen von dieser Pflicht ist dabei nicht unbedingt nachteilig, weil dann Spezialisten einspringen, die das potentiell viel effizienter und großflächiger hinbekommen. 

Apropos Vermarktung: Lokale Abnehmerstrukturen sind eine zentrale Stütze für die Kreislaufwirtschaft. Mit der gesicherten Bereitstellung von hochwertigen Sekundärrohstoffen profitieren auch industrielle Abnehmer, die durch Anpassung ihrer Produktionsprozesse die Kreislaufwirtschaft erst möglich machen, weil sich dort der (technische) Kreis schließen kann. [4]

Ohne Sortierung keine Kreislauffähigkeit

PET-Flaschen

Recycling von Pet-Flaschen, Foto: Martin Abegglen, CC BY-SA 2.0

Damit Abfall wieder hochwertiger Rohstoff werden kann, ist Sortenreinheit erstes Gebot. Im Rest- und Recyclingmüll landen z.B. hunderte verschiedene Arten von Kunststoffen. Wiedereinschmelzen lassen sich davon nur Thermoplaste. Elastomere und Duroplaste aufgrund ihrer spezifischen Gitterstruktur leider nicht. Vielfach verwendete Thermoplaste wie PET, PP, PE, PS oder PVC haben zudem Schmelzpunkte die stark variieren, nämlich zwischen 90°C und 210°C. Ein Kunststoffgemisch kann deshalb nur zu sehr bescheidenen Produkten verarbeitet werden (Downcycling) oder landet gleich in der thermischen Verwertung. 

Wenn zum Beispiel eine Einweg-PET-Flasche wieder zu einer neuen werden soll [5], dann geht es nicht ohne etwas Mühe im Vorfeld. Das wäre einerseits Disziplin bei Sammeln und Einwerfen der alten Verpackungen in die richtigen Recyclingtonnen – eine Sammelinfrastruktur, die smart mit den Verwertungsbetrieben zusammenarbeitet vorausgesetzt – oder andererseits eine aufwendige Aufbereitung und Sortierung des nicht so sauber getrennten Abfalls (manuelles Aussortieren, sensorgesteuerte Auslese, Schwimm-Sink-Verfahren usw). 

Und wenn dann schließlich der Kunststoff sortenrein als PET(-Flasche) vorliegt, dann folgt gleich die nächste Herausforderung: die Sortierung nach Farben. Weil nur farbloses PET kann wieder zu klaren Flaschen verarbeitet werden. Ist die Flasche grün oder blau, dann ist nur mehr die gleiche Farbe oder ein Downcycling entsprechend subtraktiver Farbmischung möglich. An dieser Stelle zeigt sich abermals, wie nachhaltig beim Design der PET-Flasche gedacht wurde. 

Ein paar Worte zum Schluss

Und hier wären wir wieder bei den einleitenden Gedanken dieses Essays: Denken in Grenzen, Denken in Kreisläufen und die Bereitschaft zu Verzicht auf umwelt- und klimasündiges Handeln, auch wenn es liebgewonnene Gewohnheiten betrifft. Als kleine Visualisierungshilfe empfehle ich hierfür Kate Raworths Doughnut Economics.

Doughnut Economics

Ein neues Verständnis für zirkulärer Ökonomie: Denken in Grenzen und Grundbedürfnissen. Doughnut Economics. Kate Raworth, CC-BY-SA-4.0

1 Die Managementregeln der Nachhaltigkeit wurden erstmals 1990 vom Ökonomen Herman Daly formuliert. Die überarbeiteten fünf, hier verwendeten Umweltregeln stammen von der zweiten Enquete-Kommission (1994-98) des Deutschen Bundestags.

2 Österreichische Verpackungsverordnung 2014 (BGBl. II Nr. 184/2014), Thematische Strategie für Abfallvermeidung und -recycling (KOM(2005) 666 endgültig)Europäische Abfallrahmenrichtlinie 2008 (Richtlinie 2008/98/EG) und weitere.

3 Änderung des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG-Novelle 2010, BGBl. I Nr. 9/2011)

4 Eine moderne Abfallwirtschaft- Wege und Ziel. German Recycling Technologies and Waste Management Partnership e.V. Berlin, 2018. https://www.retech-germany.net

5 In Österreich stellen u.a. rePET (Vöslauer) oder PET to PET (Coca-Cola) 100-prozentiges PET-Recyklat her.