Mikroorganismen und Klimawandel: Die unsichtbaren Regulatoren unseres Planeten

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Mikroorganismen sind winzig klein und doch von essenzieller Bedeutung für das Leben auf der Erde. Sie regulieren zentrale biogeochemische Kreisläufe, zersetzen organische Stoffe, beeinflussen die Bodenfruchtbarkeit und sind sogar an der Regulierung von Treibhausgasen beteiligt.

Trotz dieser immensen Bedeutung sind Mikroben in der öffentlichen Klimadebatte bislang kaum präsent. Doch der Klimawandel beeinflusst auch diese unsichtbaren Akteure massiv – mit weitreichenden Konsequenzen für Ökosysteme, das Klima und die menschliche Gesundheit.

Mikroorganismen: Unverzichtbare Akteure der Natur

Mikroben besiedeln nahezu alle Lebensräume unseres Planeten – von tiefen Ozeangräben über Wüsten bis hin zu den Gipfeln der höchsten Berge. Ohne sie würden zentrale Kreisläufe der Natur nicht funktionieren:

  • Stickstoff- und Kohlenstoffkreislauf: Bakterien fixieren Stickstoff aus der Luft und machen ihn für Pflanzen verfügbar. Andere Mikroorganismen binden Kohlendioxid oder setzen es frei.
  • Zersetzung und Bodenfruchtbarkeit: Mikroben bauen organisches Material ab und sorgen für die Nährstoffrückführung in den Boden.
  • Klimaregulierung: Sie produzieren und konsumieren klimarelevante Gase wie Methan (CH₄), Kohlendioxid (CO₂) und Distickstoffoxid (N₂O, Lachgas).

Mikroorganismen sind in vielfältige Interaktionen mit anderen Organismen und der Umwelt eingebunden. Sie arbeiten in Symbiose mit Pflanzen und Tieren, helfen bei der Verdauung von Nahrung und tragen dazu bei, dass Pflanzen Nährstoffe effizienter aufnehmen können. Sie sind zudem die Grundlage der Nahrungsketten in vielen Ökosystemen, insbesondere in aquatischen Lebensräumen, wo sie als Phytoplankton oder Bakterioplankton eine wichtige Rolle spielen.

Doch der Klimawandel verändert die Umweltbedingungen, unter denen Mikroorganismen existieren – mit unvorhersehbaren Folgen für ihre Funktion und unser Klima.

Prochlorococcus, ein marines Cyanobakterium, produziert einen Großteil des weltweit vorhandenen Sauerstoffs

Klimawandel und seine Auswirkungen auf Mikroorganismen

Temperaturanstieg und Permafrost-Schmelze

Der Temperaturanstieg beeinflusst die mikrobielle Aktivität erheblich. Bereits ein Temperaturanstieg von 1,5–2 °C kann den Permafrost um bis zu 53 % reduzieren. Im Permafrost eingeschlossene Mikroben werden dadurch aktiv und beginnen, organische Substanzen zu zersetzen. Dabei setzen sie große Mengen an Treibhausgasen wie Methan und CO₂ frei – ein sich selbst verstärkender Effekt, der die globale Erwärmung weiter beschleunigt.

Außerdem bewirkt eine erhöhte Temperatur, dass sich die Zusammensetzung der mikrobiellen Gemeinschaften verändert. Während einige wärmeliebende Arten sich besser vermehren, können kälteangepasste Mikrobenpopulationen zurückgehen oder gar aussterben. Dies kann langfristig zu einer Abnahme der mikrobiellen Biodiversität führen, was wiederum weitreichende Auswirkungen auf Nährstoffkreisläufe haben kann.

Veränderte Niederschlagsmuster

Niederschlagsänderungen beeinflussen die Feuchtigkeitsverhältnisse in Böden und Gewässern, was das mikrobielle Gleichgewicht stört. Dürren können zum Absterben von Bodenmikroben führen, während Überflutungen anaerobe Mikroorganismen begünstigen, die Methan produzieren. Wenn Niederschläge unregelmäßiger werden, könnte dies bedeuten, dass bestimmte Mikroben, die für die Nährstoffumsetzung essenziell sind, nicht mehr effektiv arbeiten können, was die Bodenfruchtbarkeit langfristig gefährden könnte.

Einfluss auf die Treibhausgasbilanz

Mikroben sind zentrale Akteure in der Produktion und im Abbau von Treibhausgasen:

  • Methan: Wird hauptsächlich von anaeroben Archaeen produziert, die in Feuchtgebieten, Reisfeldern und den Mägen von Wiederkäuern leben.
  • Lachgas: Entsteht durch bakterielle Prozesse im Stickstoffkreislauf, besonders in der Landwirtschaft durch übermäßige Düngung.
  • Kohlendioxid: Wird von Mikroben sowohl absorbiert (z. B. durch Cyanobakterien in Ozeanen) als auch freigesetzt (durch Zersetzungsprozesse in Böden und Meeren).

Wenn sich die Zusammensetzung der mikrobiellen Gemeinschaften durch Klimaveränderungen ändert, kann dies zu einer verstärkten Freisetzung dieser Gase führen und die Erderwärmung weiter antreiben.

Methanosarcina barkeri, ein weitverbreitetes anaerobes Archaeon, das Methan produziert. Bild: Microvenator, CC BY-SA 4.0

Mikroorganismen als Verbündete im Klimaschutz

Obwohl Mikroben zur Freisetzung von Treibhausgasen beitragen, können sie auch Lösungen für den Klimaschutz bieten:

  • Kohlenstoffspeicherung: Bestimmte Bodenbakterien und Pilze tragen zur langfristigen Speicherung von Kohlenstoff im Boden bei.
  • Biologische Stickstofffixierung: Mikroben können helfen, den Einsatz synthetischer Düngemittel zu reduzieren und so die Lachgasemissionen zu verringern.
  • Bioremediation: Einige Mikrobenarten sind in der Lage, Schadstoffe abzubauen und kontaminierte Böden oder Gewässer zu reinigen.
  • Unterstützung der Landwirtschaft: Durch die Symbiose mit Pflanzen können Mikroorganismen die Trockenresistenz von Nutzpflanzen erhöhen und so helfen, den landwirtschaftlichen Ertrag in Zeiten des Klimawandels zu sichern.

Forscher arbeiten auch daran, Mikroorganismen gezielt für den Umweltschutz einzusetzen. Einige Bakterien und Algenarten können zur Produktion nachhaltiger Biokraftstoffe genutzt werden, während andere Mikroben in der Lage sind, Plastik zu zersetzen oder giftige Schwermetalle aus dem Boden zu entfernen. Diese innovativen Anwendungen zeigen, dass Mikroorganismen eine Schlüsselrolle in der Entwicklung klimafreundlicher Technologien spielen können.

Fazit: Mikroorganismen in die Klimadebatte einbeziehen

Mikroorganismen sind essenzielle Akteure in den globalen Ökosystemen und spielen eine bedeutende Rolle im Klimageschehen. Trotz ihrer fundamentalen Funktionen werden sie in Klimamodellen und politischen Strategien bislang kaum berücksichtigt. Angesichts der Klimakrise ist es dringend notwendig, Mikroorganismen stärker in den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskurs einzubeziehen. Ein besseres Verständnis ihrer Prozesse könnte neue Lösungsansätze für den Klimaschutz liefern – von der Kohlenstoffspeicherung bis zur nachhaltigen Landwirtschaft.

Es wird Zeit, den Blick nicht nur auf sichtbare Klimafaktoren zu richten, sondern auch auf die unsichtbaren Kräfte, die unser Ökosystem im Gleichgewicht halten. Durch gezielte Forschung und innovative Technologien können Mikroorganismen zu Verbündeten im Kampf gegen den Klimawandel werden und dabei helfen, eine nachhaltigere Zukunft zu gestalten.