Vandana Shiva: Eine Pionierin für Biodiversität, Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit

Vandana Shiva: Eine Pionierin für Biodiversität, Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit
Vandana Shiva (Autorin, Aktivistin) Foto: Stephan Röhl
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Vandana Shiva: Eine Pionierin für Biodiversität, Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit

Vandana Shiva im Januar 2020. Foto: Stephan Röhl

Vandana Shiva, eine weltweit bekannte indische Umweltaktivistin, Wissenschaftlerin und Autorin, hat seit Jahrzehnten den Kampf für Biodiversität, nachhaltige Landwirtschaft und soziale Gerechtigkeit geprägt. Ihr Name ist untrennbar mit der globalen Bewegung für Ernährungssouveränität, den Widerstand gegen die Patentierung von Saatgut und die Verteidigung der Rechte von Kleinbauern verbunden. Shiva hat nicht nur gegen die Dominanz großer Agrarkonzerne wie Monsanto gekämpft, sondern auch eine tiefere Verbindung zwischen Umweltschutz, sozialer Gerechtigkeit und traditionellem Wissen aufgezeigt.

Von der Wissenschaft zur Aktivistin: Vandana Shivas Werdegang

Vandana Shiva wurde 1952 in Dehradun, Indien, geboren. Ihr akademischer Hintergrund ist beeindruckend: Shiva promovierte in den 1970er Jahren in Physik mit einer Arbeit zur Quantenmechanik. Trotz ihres wissenschaftlichen Werdegangs wurde sie zunehmend in Fragen der Landwirtschaft und der Umweltpolitik involviert, da sie in ihrer Heimat die tiefgreifenden negativen Auswirkungen der Grünen Revolution beobachtete. Diese Bewegung hatte zwar kurzfristig die Nahrungsmittelproduktion in Indien gesteigert, führte jedoch langfristig zu schweren Umweltschäden, dem Verlust von Biodiversität und der Verschuldung von Bauern.

In den 1980er Jahren begann Shiva, sich intensiv mit den ökologischen und sozialen Folgen der industrialisierten Landwirtschaft auseinanderzusetzen. Diese Beschäftigung führte sie zu ihrem lebenslangen Engagement für den Schutz der Artenvielfalt und die Rechte von Bauern.

Navdanya: Der Kampf für Saatgut und Biodiversität

Im Jahr 1991 gründete Vandana Shiva die Organisation Navdanya, was so viel wie „Neun Samen“ bedeutet. Navdanya setzt sich für die Erhaltung der Biodiversität, die Wiederbelebung traditioneller landwirtschaftlicher Praktiken und die Rechte der Bauern in Indien ein. Ein zentrales Ziel der Bewegung ist es, unabhängige Saatgutbanken aufzubauen und die Abhängigkeit der Bauern von multinationalen Agrarkonzernen zu beenden, die Patente auf gentechnisch verändertes Saatgut beanspruchen.

Durch die Gründung von Navdanya hat Shiva Tausende von Bauern in Indien unterstützt und ihnen geholfen, nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken zu übernehmen, die nicht auf chemischen Düngemitteln und Pestiziden basieren. Die Organisation fördert den Anbau von lokal angepassten und ökologischen Sorten, die besser an die Umweltbedingungen vor Ort angepasst sind und die natürliche Vielfalt fördern.

Der Widerstand gegen die Patentierung von Saatgut

Vandana Shiva ist weltweit für ihren entschiedenen Widerstand gegen die Patentierung von Saatgut bekannt. Sie argumentiert, dass Saatgut das gemeinsame Erbe der Menschheit ist und nicht durch Unternehmen wie Monsanto oder andere multinationale Konzerne patentiert werden sollte. Ihrer Meinung nach bedrohen diese Patente nicht nur die Biodiversität, sondern auch die Existenzgrundlage von Millionen von Bauern, die seit Generationen Saatgut aufbewahren und weitergeben.

In ihrem Buch “Biopiracy: The Plunder of Nature and Knowledge” (1997) kritisiert Shiva, wie westliche Unternehmen traditionelles Wissen und genetische Ressourcen aus Ländern des globalen Südens kommerziell ausbeuten. Sie nennt diese Praxis „Biopiraterie“ und zeigt auf, wie Konzerne Patente auf Pflanzen und Heilmittel anmelden, die seit Jahrhunderten in lokalen Gemeinschaften verwendet werden. Diese Praxis verlagert die Kontrolle über landwirtschaftliche Ressourcen von den lokalen Gemeinschaften hin zu den großen Agrarkonzernen.

Shiva argumentiert, dass die industrielle Landwirtschaft nicht nur ökologisch zerstörerisch ist, sondern auch soziale Ungerechtigkeit schafft. Sie stellt fest, dass durch den Verlust der Saatgutvielfalt und den Einsatz von Monokulturen Bauern abhängig von teurem, patentiertem Saatgut und Chemikalien werden, was sie in finanzielle Not bringt. In Ländern wie Indien führte dies zu einer hohen Anzahl von Bauernselbstmorden, die aufgrund der Verschuldung keinen Ausweg sahen.

Vandana Shiva und der Ökofeminismus

Ein weiterer zentraler Aspekt von Shivas Arbeit ist ihre Verbindung von Umweltschutz und Feminismus. In ihrem Buch “Staying Alive: Women, Ecology and Development” (1988) argumentiert Shiva, dass es einen engen Zusammenhang zwischen der Unterdrückung von Frauen und der Ausbeutung der Natur gibt. Sie entwickelt die Idee des Ökofeminismus, einer Denkrichtung, die die patriarchalen Strukturen sowohl in der Umweltzerstörung als auch in der sozialen Ungerechtigkeit kritisiert.

Frauen, insbesondere in ländlichen Gebieten, sind häufig die Hauptleidtragenden von Umweltzerstörung und Ressourcenraubbau. Sie sind oft für die Nahrungsmittelproduktion und die Sicherstellung von Wasser und Brennholz verantwortlich. Wenn Böden erodieren, Wasser knapp wird und Wälder abgeholzt werden, sind Frauen besonders betroffen. Shiva betont, dass Frauen auch die Hüterinnen des traditionellen Wissens sind und eine Schlüsselrolle in der Erhaltung der Biodiversität und der Pflege der Erde spielen.

Kritische Auseinandersetzung mit der Grünen Revolution

In ihrem Buch “The Violence of the Green Revolution” (1991) geht Vandana Shiva auf die negativen Folgen der Grünen Revolution in Indien ein. Während die Einführung von hoch ertragreichen Getreidesorten in den 1960er Jahren kurzfristig zu einem Anstieg der Nahrungsmittelproduktion führte, hatte sie langfristig schädliche Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesellschaft.

Die intensive Nutzung von chemischen Düngemitteln und Pestiziden führte zu Bodenverschlechterung, Wasserknappheit und einem Rückgang der Artenvielfalt. Auch der Anbau von Monokulturen trug dazu bei, dass traditionelle und widerstandsfähige Pflanzensorten verloren gingen. Shiva zeigt auf, wie diese Entwicklungen das Leben der Bauern verschlechterten und die lokale Landwirtschaft in die Abhängigkeit von externen Inputs brachten.

Globaler Einfluss: Wer von Vandana Shiva inspiriert wurde

Vandana Shivas Arbeit hat weltweit große Resonanz gefunden und zahlreiche Organisationen, Bewegungen und Einzelpersonen beeinflusst. Zu den bedeutendsten gehören:

  • La Via Campesina, eine globale Bewegung von Kleinbauern, die für Ernährungssouveränität und die Rechte der Landwirte kämpft. Shivas Visionen einer bäuerlichen, nachhaltigen Landwirtschaft sind zentral für die Arbeit dieser Bewegung.
  • Die Slow Food Bewegung, die sich für die Erhaltung traditioneller Lebensmittel und eine nachhaltige Landwirtschaft einsetzt, wurde ebenfalls von Shivas Ideen zur Biodiversität und zu agrarökologischen Praktiken inspiriert.
  • Food and Water Watch, eine in den USA ansässige NGO, setzt sich für den Schutz von Nahrungsmitteln, Wasser und natürlichen Ressourcen ein und wurde stark von Shivas Arbeit beeinflusst, insbesondere im Bereich der Rechte von Bauern.

Vandana Shiva in Dokumentationen und Filmen

Vandana Shivas Leben und Arbeit wurden auch in mehreren Dokumentarfilmen thematisiert, die ihre Kämpfe und Erfolge weltweit einem breiten Publikum zugänglich gemacht haben:

  • “The Seeds of Vandana Shiva” (2021): Diese Dokumentation zeichnet ihren Weg von der Wissenschaftlerin zur globalen Aktivistin nach und zeigt ihre Kämpfe gegen die industrielle Landwirtschaft.
  • “Bullshit” (2005): Ein kritischer Film, der Shivas Arbeit gegen Biopiraterie und gentechnisch verändertes Saatgut darstellt.
  • “Dirt! The Movie” (2009): In dieser Dokumentation spricht Shiva über die Bedeutung von gesunden Böden und ökologischer Landwirtschaft.

Fazit: Vandana Shivas Vision einer nachhaltigen Zukunft

Vandana Shivas Lebenswerk steht im Zeichen der Verteidigung von Biodiversität, der Rechte der Bauern und der Verbindung von Umweltschutz und sozialer Gerechtigkeit. Sie fordert eine radikale Abkehr von der industrialisierten Landwirtschaft und die Rückkehr zu agrarökologischen, nachhaltigen Praktiken, die sowohl die Umwelt schützen als auch den Menschen zugutekommen.

Durch ihre Schriften, Vorträge und Kampagnen hat sie das Bewusstsein für die Gefahren der Patentierung von Saatgut und die Folgen der industrialisierten Landwirtschaft geschärft. Sie bleibt eine unermüdliche Kämpferin für die Rechte von Bauern und Frauen weltweit und inspiriert zahlreiche Bewegungen, die sich für eine nachhaltige und gerechte Zukunft einsetzen.

 

Für weiterführende Informationen über Vandana Shivas Arbeit und Engagement kannst du die Website von Navdanya besuchen und mehr über ihre zahlreichen Bücher und Filme erfahren, die tiefere Einblicke in ihre Vision und ihren Einsatz für eine lebenswerte Welt geben.