Vorgeschichte und Erwartungen
Die globale Plastikverschmutzung ist eines der drängendsten Umweltprobleme unserer Zeit. Seit Jahrzehnten verschmutzen Plastikmüll und Mikroplastik die Weltmeere, bedrohen die Biodiversität und gefährden die Gesundheit von Mensch und Tier. Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge werden weltweit jedes Jahr rund 400 Millionen Tonnen Plastik produziert – Tendenz steigend. Ohne drastische Gegenmaßnahmen könnte sich diese Zahl bis 2050 fast verdreifachen.
Im März 2022 legte die UN-Umweltversammlung in Nairobi den Grundstein für eine bahnbrechende Initiative: die Verhandlungen über ein globales, rechtlich bindendes Abkommen zur Reduktion von Plastikverschmutzung. Ziel war es, den gesamten Lebenszyklus von Plastik zu regulieren – von der Produktion über die Nutzung bis hin zur Entsorgung.
Die Erwartungen an die fünfte Verhandlungsrunde (INC-5) in Busan, Südkorea, waren hoch. Ursprünglich sollte hier das finale Abkommen verabschiedet werden, das als Meilenstein im Umweltschutz hätte gelten können – ähnlich dem Pariser Klimaschutzabkommen. Über 170 Staaten und zahlreiche Nichtregierungsorganisationen nahmen an den Gesprächen teil. Besonders umstritten war dabei die Forderung einer Koalition aus mehr als 100 Ländern, darunter die EU, Mexiko und Ruanda, die Plastikproduktion bis 2040 um 75 % zu reduzieren. Diese Maßnahme sollte einen umfassenden Schutz vor der Klimakrise, toxischen Chemikalien und der Verschmutzung durch Mikroplastik gewährleisten.
Gescheiterte Verhandlungen: Gründe und Blockaden
Die Verhandlungen in Busan endeten jedoch enttäuschend. Statt eines finalen Abkommens wird im kommenden Jahr eine außerplanmäßige Verhandlungsrunde (INC-5.2) stattfinden. Der Hauptstreitpunkt war eine verbindliche Obergrenze für die Plastikproduktion. Während die Mehrheit der Länder diese Maßnahme befürwortete, blockierte eine Minderheit mächtiger Staaten – allen voran Saudi-Arabien, Russland und China – die Einigung. Diese Länder, die stark von der Öl- und petrochemischen Industrie abhängig sind, forderten, dass das Abkommen sich ausschließlich auf die Verbesserung der Abfallwirtschaft konzentrieren solle.
Greenpeace und der WWF kritisierten scharf, dass Lobbyisten der fossilen und petrochemischen Industrie den Verhandlungsprozess massiv beeinflusst haben. Laut Greenpeace entsandten allein 220 Vertreter dieser Industrien Lobbyisten zu den Gesprächen – mehr als die gesamte Delegation der EU-Staaten. In einer von Greenpeace durchgeführten Analyse wurden Verbindungen zwischen diesen Lobbygruppen und führenden deutschen Unternehmen wie BASF und Covestro nachgewiesen. Diese Akteure haben ein großes Interesse daran, die Plastikproduktion weiter auszubauen und damit die globale Plastikkrise zu verschärfen.
Der WWF wies darauf hin, dass eine lautstarke Minderheit von ölfördernden und an der Plastikproduktion beteiligten Staaten seit zwei Jahren darauf abzielt, den Fortschritt zu untergraben, ohne die Absicht zu haben, einen wirklich substanziellen Vertrag zu unterzeichnen. Diese Blockade dieser Staaten zeige eine „bösartige Absicht“, den Konsens der Mehrheit zu sabotieren, erklärte Florian Titze, Senior Policy Advisor des WWF Deutschland.
Ein Weckruf an die Weltgemeinschaft
Umweltschutzorganisationen wie der WWF und Greenpeace äußerten scharfe Kritik am Verlauf der Verhandlungen und forderten ambitionierte Maßnahmen, um die Plastikkrise endlich zu bekämpfen.
Greenpeace-Expertin Joëlle Hérin betonte die Dringlichkeit der Situation, indem sie darauf hinwies, dass jeder Tag, an dem Regierungen Umweltverschmutzern erlauben, die Welt weiterhin zu belasten, eine Katastrophe darstellt. Die negativen Auswirkungen träfen uns alle, und die ehrgeizige Mehrheit dürfe nicht zulassen, dass die fossile Brennstoff- und Petrochemieindustrie, unterstützt von einer kleinen Minderheit von Ländern, den Willen der Mehrheit behindere.
Der WWF stellte ebenfalls klar, dass ein Scheitern des Abkommens inakzeptabel sei. Florian Titze wies darauf hin, dass der auf das kommende Jahr vertagte Prozess nicht so fortgeführt werden könne. Deutschland, die EU und die Mehrheit der ambitionierten Staaten müssten sich darauf einigen, wie die Plastikproduktion verringert werden kann, da weitere Verzögerungen keine Option mehr seien.
Beide Organisationen sind sich einig: Ein wirksames Abkommen muss verbindliche globale Ziele und Maßnahmen umfassen. Dazu gehören:
- Eine drastische Reduktion der Plastikproduktion
- Ein weltweites Verbot von Einwegplastik und gefährlichen Chemikalien
- Ein verbindliches Ziel für wiederverwendbare Produktdesigns und Kreislaufwirtschaft
- Ein gerechter Finanzierungsmechanismus, der ärmere Länder unterstützt
Die Dringlichkeit wurde auch durch die Zahlen untermauert: Seit dem Beschluss, ein Abkommen zu erarbeiten, wurden mehr als 800 Millionen Tonnen Plastik produziert. Über 30 Millionen Tonnen davon landeten in den Weltmeeren – eine Menge, die nicht wieder rückgängig gemacht werden kann.
Fazit: Historische Chance – noch nicht vertan
Trotz der enttäuschenden Verhandlungsrunde in Busan bleibt die Hoffnung auf ein ambitioniertes globales Plastikabkommen bestehen. Die nächste Verhandlungsrunde wird eine letzte Möglichkeit bieten, den Kurs zu korrigieren und ein Abkommen zu schaffen, das die Plastikkrise tatsächlich eindämmt. Der WWF und Greenpeace fordern weiterhin, dass die Mehrheit der ambitionierten Staaten nicht nachlässt und den Blockaden einzelner Lobbygruppen und Öl-Staaten entschlossen entgegentritt.
Moritz Jäger-Roschko von Greenpeace betonte, dass die Welt an einem historischen Scheideweg stehe. Er wies darauf hin, dass die Möglichkeit, ein wirksames Plastikabkommen zu erreichen, das die Gesundheit, die biologische Vielfalt und das Klima schützt, weiterhin besteht. Jetzt sei der richtige Zeitpunkt, um entschlossen zu handeln.
Die Welt blickt auf die Fortsetzung der Verhandlungen im kommenden Jahr. Der Einsatz könnte nicht höher sein: Es geht nicht nur um die Reduktion von Plastikproduktion, sondern um den Schutz unserer Erde und die Zukunft kommender Generationen.
Weiterführende Links:
Hintergrundpapier zur fünften Verhandlungsrunde von Greenpeace
Informationspapier des deutschen Umweltministeriums