ParaStruct: Kreislaufwirtschaft trifft auf 3D-Druck in der Bauindustrie

Lesedauer: 7 Minuten

Die Bauindustrie steht vor großen Herausforderungen: Der steigende Bedarf an neuen Gebäuden und Infrastrukturen führt zu einem erhöhten Verbrauch von Ressourcen und einer Zunahme von Abfall und CO2-Emissionen. Vor diesem Hintergrund wird die Bedeutung nachhaltiger Lösungen immer deutlicher. Hier setzt das Tiroler Start-up ParaStruct an, das mit innovativen Technologien und Verfahren die Bauindustrie revolutioniert.

Das Startup ParaStruct hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Kreislaufwirtschaft in der Bauindustrie zu etablieren und damit sowohl ökologische als auch wirtschaftliche Vorteile zu schaffen. In diesem Artikel werfen wir einen genauen Blick auf die bahnbrechenden Ansätze von ParaStruct und deren potenziellen Einfluss auf die Zukunft des Bauens.

Die Herausforderungen der Bauindustrie

Die Bauindustrie zählt weltweit zu den CO2-intensivsten Branchen und trägt erheblich zur Umweltbelastung bei. Ein wesentlicher Aspekt ist die Ressourcenknappheit: Viele der Materialien, die im Bau verwendet werden, sind begrenzt verfügbar und erfordern aufwendige Abbauverfahren, die zusätzliche Umweltschäden verursachen. Hinzu kommt, dass der Abbau und Transport dieser Rohstoffe enorme Energiemengen benötigen, was den ökologischen Fußabdruck weiter vergrößert.

Ein weiteres Problem ist die Abhängigkeit von spezifischen Ressourcen, die oft nur an bestimmten Orten vorkommen. Diese Abhängigkeit macht die Bauindustrie nicht nur anfällig für Lieferengpässe, sondern führt auch zu einem höheren Ressourcenverbrauch und zu einer beschleunigten Erschöpfung der natürlichen Vorkommen.

Der Bausektor ist zudem einer der größten Produzenten von Abfall. Bei Abrissarbeiten und während der Bauprozesse entstehen große Mengen an Bauabfällen, die meist auf Deponien landen. Dies führt zu einer Verschwendung wertvoller Rohstoffe und belastet die Umwelt zusätzlich durch den Flächenverbrauch und die Freisetzung von Schadstoffen.

„Etwa drei Viertel der in Österreich anfallenden Abfälle [kommen] allein aus der Bauindustrie – also von Abbruchmaterialien und Bauabfällen“ Freia Ruegenberg im Interview mit brutkasten

Ein weiteres zentrales Problem sind die hohen CO2-Emissionen, die vor allem durch die Herstellung von Baumaterialien wie Zement verursacht werden. Zementproduktion ist bekannt für ihre intensive Nutzung fossiler Brennstoffe und den damit verbundenen Ausstoß von Kohlendioxid. Dies trägt erheblich zum Klimawandel bei und macht die Suche nach umweltfreundlicheren Alternativen dringender denn je.

„Etwa 40 Prozent des CO2-Ausstoßes kommen von der Bauindustrie. [Sie] ist neben Verkehr und Landwirtschaft einer der größten Player im Klimawandel – und heute eines der größten Gewerbe überhaupt, wo was passieren kann und muss.“ Freia Ruegenberg

Insgesamt steht die Bauindustrie vor der Herausforderung, nachhaltigere Methoden zu entwickeln und umzusetzen, um den ökologischen Fußabdruck zu minimieren, Ressourcen effizienter zu nutzen und die Abfallproduktion signifikant zu reduzieren. Hier kommen innovative Lösungen wie die von ParaStruct ins Spiel, die das Potenzial haben, die Bauindustrie grundlegend zu verändern und nachhaltiger zu gestalten.

Die Gründer von ParaStruct (v. l.n.r. Georg Breitenberger, Freia Ruegenberg, Kilian Rießbeck). © ParaStruct

Die innovative Lösung von ParaStruct

ParaStruct setzt auf innovative Technologien, um die Bauindustrie nachhaltiger zu gestalten und die Kreislaufwirtschaft zu fördern. Im Zentrum steht die Entwicklung und Nutzung von kreislauffähigen Bindemitteln sowie materialsparenden additiven Fertigungsmethoden. Diese Ansätze ermöglichen es, Abfälle effizient zu verwerten und neue, funktionale Bauprodukte herzustellen.

“Parastructs 3D-Druck- und Recyclingtechnologien ermöglichen es, Bauteile vollständig kreislauffähig zu machen und dabei Kosten und den CO2 Fußabdruck zu senken” Gründer und CEO Georg Breitenberger am Business Angels Summit in Kitzbühel

Das Kernstück der Technologie ist das Ecomould-Materialset, eine Mischung aus biogenen Produktionsrückständen der Bauindustrie und einem mineralischen Bindemittel. Diese Materialien können durch digitale Fertigungsverfahren wie 3D-Druck wieder nutzbar gemacht werden. Der Vorteil liegt in der Möglichkeit, ressourcenschonende und gleichzeitig ästhetisch ansprechende Bauteile zu produzieren. Durch den Einsatz von 3D-Druck kann der Materialbedarf im Vergleich zu konventionellen Methoden um bis zu 60 % reduziert werden.

„Wir bieten eine kreislauffähige Lösung für ansonsten nicht mehr nutzbare Abfällen und Nebenprodukte: Das sind häufig Sande, Stäube und Material, dass in unterschiedlichen Verarbeitungsschritten übrigbleibt. […] Wir aber machen sie mit unserem 3D-Drucker wieder nutzbar.“ Freia Ruegenberg

Ein weiteres Highlight der Technologie von ParaStruct ist die Verwendung von Low-Carbon-Bindemitteln. Diese Bindemittel reduzieren die CO2-Emissionen im Vergleich zu herkömmlichem Portlandzement um bis zu 60 %. Dadurch wird nicht nur der ökologische Fußabdruck verringert, sondern auch ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels geleistet.

Darüber hinaus hat ParaStruct ein System zur Wiederverwertung von Bauteilen entwickelt. Die mit der ParaStruct-Technologie hergestellten Komponenten sind vollständig recycelbar und können nach ihrer Nutzungsdauer wiederaufbereitet und als Sekundärrohstoffe verwendet werden. Dies trägt dazu bei, den Abfallkreislauf zu schließen und wertvolle Ressourcen zu schonen.

ParaStruct kombiniert wissenschaftliches Know-how aus den Bereichen Materialwissenschaften, Chemie und 3D-Drucktechnologie. Ihr interdisziplinäres Team entwickelt ständig neue Lösungen, um die Effizienz und Nachhaltigkeit in der Bauindustrie zu steigern. Durch die Lizenzierung ihrer Technologie an Partnerunternehmen ermöglicht ParaStruct eine breite Anwendung und trägt so zur Transformation der gesamten Branche bei.

Die Oberfläche eines Bauteils, das mit dem 3-Druckverfahren von ParaStruct gefertigt wurde. © ParaStruct

Der Leitspruch „Cash the Trash“

Der Leitspruch „Cash the Trash“ steht im Zentrum von ParaStructs Geschäftsphilosophie. Diese griffige Aussage fasst die Mission des Unternehmens zusammen: Abfallmaterialien in wertvolle und nutzbare Ressourcen zu verwandeln. Statt Abfälle einfach zu entsorgen und wertvolle Rohstoffe zu verschwenden, setzt ParaStruct auf innovative Technologien, um diese Materialien wieder in den Produktionskreislauf zu integrieren.

Durch den Einsatz von 3D-Druck und kreislauffähigen Bindemitteln schafft ParaStruct aus Abfällen funktionale Bauteile, die sowohl ökologisch als auch ökonomisch sinnvoll sind. Dieser Ansatz bietet mehrere Vorteile: Zum einen werden die Entsorgungskosten erheblich reduziert, da Abfälle nicht mehr auf Deponien landen, sondern als Rohmaterialien dienen. Zum anderen entstehen durch die Wiederverwertung und die Herstellung neuer Produkte zusätzliche Einnahmequellen für Unternehmen.

Der nachhaltige Aspekt von „Cash the Trash“ ist ebenfalls nicht zu unterschätzen. Die Umwandlung von Abfall in nutzbare Materialien reduziert den Bedarf an neuen Rohstoffen und verringert die Umweltbelastung durch Abfall und Emissionen. Gleichzeitig profitieren Unternehmen von einer verbesserten Ressourceneffizienz und können ihre Nachhaltigkeitsziele erreichen. Diese Symbiose aus Umweltbewusstsein und Wirtschaftlichkeit macht ParaStructs Ansatz so attraktiv für die Bauindustrie und darüber hinaus.

Mit „Cash the Trash“ zeigt ParaStruct, wie Kreislaufwirtschaft in der Praxis umgesetzt werden kann. Es ist ein klarer Aufruf zum Umdenken in der Industrie – weg von der linearen Wirtschaft, hin zu einem Modell, das Abfall als wertvolle Ressource betrachtet. Dieser innovative Ansatz könnte die Art und Weise, wie wir mit industriellem Abfall umgehen, grundlegend verändern und einen erheblichen Beitrag zur Erreichung globaler Nachhaltigkeitsziele leisten.

Das versteht DALL-E unter „Cash the Trash“

Anwendungsbeispiele und Erfolgsgeschichten

ParaStruct hat bereits mehrere erfolgreiche Partnerschaften und Projekte umgesetzt, die die Effektivität und Vielseitigkeit ihrer Technologien unter Beweis stellen. Ein herausragendes Beispiel ist die Zusammenarbeit mit dem 3D-Druckerhersteller voxeljet. In einem ersten Proof of Concept haben ParaStruct und voxeljet erfolgreich die Verarbeitung von recycelten biogenen und mineralischen Abfallstoffen aus der Bauindustrie mithilfe der Binder Jetting-3D-Drucktechnologie getestet. Diese Kooperation nutzt das innovative Ecomould-Materialset von ParaStruct, welches biogene Produktionsrückstände und ein mineralisches Bindemittel kombiniert, um nachhaltige Formteile für den Innenausbau und Laminierungsprozesse herzustellen.

Die Anwendung dieser Technologie auf voxeljets VX200, einem speziell für Forschungs- und Entwicklungszwecke konzipierten 3D-Drucksystem, markiert einen bedeutenden Fortschritt in nachhaltigen Produktionstechniken. Die Verwendung von Ecomould könnte nicht nur zu erheblichen Kosteneinsparungen durch reduzierte Entsorgungskosten führen, sondern auch die Gesamtprofitabilität durch geringeren Ressourcenverbrauch optimieren. Die Flexibilität der voxeljet-3D-Drucker, die an verschiedene Materialsets angepasst werden können, und die Möglichkeit, Ergebnisse auf größere Drucker zu skalieren, machen diese Technologie besonders attraktiv für die Bauindustrie.

ParaStruct hat auch Anerkennung und Interesse aus anderen Sektoren gewonnen. Ihre innovativen Lösungen haben bereits Aufmerksamkeit in der Stahl- und Holzindustrie erregt, wo sie ähnliche Probleme mit Abfallströmen und Nachhaltigkeitszielen angehen. Darüber hinaus wurde ParaStruct für seine Fortschritte in der 3D-Drucktechnologie und der Kreislaufwirtschaft mit Preisen im Space-Bereich ausgezeichnet. Dies unterstreicht das Potenzial ihrer Technologie, nicht nur auf der Erde, sondern auch in extraterrestrischen Anwendungen, wie der Besiedelung von Mond und Mars, einen Unterschied zu machen.

Durch diese Erfolgsgeschichten zeigt ParaStruct, wie ihre Technologien praktische Lösungen für reale Probleme bieten können. Ihre Ansätze zur Abfallverwertung und Kreislaufwirtschaft stellen bedeutende Fortschritte in Richtung einer nachhaltigeren Zukunft dar und bieten gleichzeitig wirtschaftliche Vorteile für ihre Partnerunternehmen. Mit diesen innovativen Lösungen setzt ParaStruct neue Maßstäbe in der Bauindustrie und darüber hinaus.

Freia Ruegenberg beim EIT Community Circular Economy Prize 2022

Zukunftspläne und Vision

ParaStruct hat ehrgeizige Pläne für die Zukunft und strebt danach, ihre Technologie über die Bauindustrie hinaus in anderen Bereichen zu etablieren. Bis 2025 möchte das Unternehmen den Nutzen ihrer Technologie in weiteren Industrien wie der Stahl- und Holzverarbeitung nachweisen. Diese Sektoren stehen vor ähnlichen Herausforderungen in Bezug auf Abfallmanagement und Nachhaltigkeit und könnten von den kreislauffähigen Lösungen von ParaStruct erheblich profitieren.

Eine besonders aufregende Vision von ParaStruct ist die Anwendung ihrer Technologien zur Besiedelung extraterrestrischer Räume wie des Mondes und des Mars. Durch die Nutzung von lokal vorhandenen Materialien auf diesen Himmelskörpern könnte ParaStruct dazu beitragen, nachhaltige Siedlungsstrukturen zu schaffen. Diese Projekte zeigen nicht nur das breite Anwendungsspektrum der ParaStruct-Technologien, sondern auch das zukunftsorientierte Denken des Unternehmens.

„Wir müssen die Zerstörung auf der Erde eindämmen, bevor wir zum nächsten Planeten weiterziehen.“ Freia Ruegenberg im Interview mit brustkasten

ParaStruct plant zudem, ihre Partnerschaften auszubauen und neue Kooperationen einzugehen, um ihre Technologie weiter zu verfeinern und zu skalieren. Sie suchen aktiv nach Investoren und Frühanwendern aus verschiedenen Industrien, um die Entwicklung voranzutreiben und ihre Vision einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft zu realisieren. Darüber hinaus möchte ParaStruct ihre Produkte in Baumärkten und über Einzelhandelsketten vertreiben, um die Reichweite ihrer innovativen Lösungen zu erweitern.

Ein weiteres Ziel ist die kontinuierliche Verbesserung der eigenen Forschungs- und Entwicklungsarbeit. ParaStruct setzt auf ständige Innovation, um die Effizienz und Nachhaltigkeit ihrer Produkte und Prozesse weiter zu steigern. Das Unternehmen strebt danach, an der Spitze der technologischen Entwicklungen im Bereich der Kreislaufwirtschaft und des 3D-Drucks zu bleiben.

Resümee

ParaStruct zeigt eindrucksvoll, wie innovative Technologien und nachhaltige Ansätze die Bauindustrie revolutionieren können. Durch die Entwicklung kreislauffähiger Materialien und die Nutzung von 3D-Druck bietet ParaStruct Lösungen, die sowohl ökologisch als auch ökonomisch sinnvoll sind. Ihr Leitspruch „Cash the Trash“ bringt die Mission des Unternehmens auf den Punkt: Abfall in wertvolle Ressourcen zu verwandeln und dabei die Umwelt zu schonen.

Mit ihren ehrgeizigen Zukunftsplänen und der Vision, auch andere Industrien und sogar extraterrestrische Räume zu erreichen, ist ParaStruct bestens positioniert, um eine führende Rolle in der globalen Bewegung hin zu einer nachhaltigeren Zukunft zu spielen. Die innovativen Lösungen von ParaStruct zeigen, dass es möglich ist, die Herausforderungen der heutigen Zeit zu meistern und gleichzeitig neue, profitable Wege zu gehen.

Quellen und weiterführende Literatur

ParaStruct Website
Austria Wirtschaftsservice: ParaStruct
brutkasten: “Wir müssen die Zerstörung auf der Erde eindämmen, bevor wir zum nächsten Planeten weiterziehen”
brutkasten: ParaStruct: Wie ein Tiroler Startup die Bauindustrie mit 3D-Druck nachhaltiger machen möchte
3printr: Voxeljet and ParaStruct: 3D printing of recyclable, processed construction waste for mold making
4gamechangers von ORF & Puls4 vom 10. Juni 2024 (ab Minute 39:00)