Die Grüne Mauer Chinas: Erfolgsgeschichte oder ökologische Herausforderung?

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Einleitung:

Seit den 1970er Jahren arbeitet China an einem der ehrgeizigsten Umweltschutzprojekte der Geschichte: der „Grünen Mauer“, offiziell bekannt als Drei-Nord-Schutzgürtel-Programm (Three-North Shelterbelt Program). Diese Initiative zielt darauf ab, die fortschreitende Wüstenbildung zu bekämpfen, indem ein gewaltiger Aufforstungsgürtel über das nördliche China hinweg errichtet wird. Mit einer Länge von über 3.000 Kilometern und der Beteiligung von Millionen von Menschen ist dieses Projekt ein eindrucksvolles Beispiel für Chinas Entschlossenheit und Innovationskraft im Bereich des Umweltschutzes.

In diesem Artikel werden wir die Geschichte, die aktuellen Erfolge und die Herausforderungen dieses monumentalen Projekts beleuchten. Außerdem werfen wir einen Blick auf die kritischen Perspektiven und alternativen Ansätze, die Wissenschaftler und Umweltexperten vorgeschlagen haben. Ziel dieses Artikels ist es, ein umfassendes Bild der Grünen Mauer zu zeichnen und zu diskutieren, ob sie wirklich eine nachhaltige Lösung für Chinas Umweltprobleme darstellt.

Historischer Hintergrund und Ziele des Drei-Nord-Schutzgürtel-Programms

Das Drei-Nord-Schutzgürtel-Programm, auch bekannt als die „Grüne Mauer Chinas,“ wurde 1978 ins Leben gerufen, um die fortschreitende Wüstenbildung in Nordwest-, Nord- und Nordostchina einzudämmen. Diese riesige Aufforstungsinitiative erstreckt sich über 13 Provinzen und deckt eine Fläche von etwa 4,069 Millionen Quadratkilometern ab.

Geografische Abdeckung und Zeitrahmen: Der Plan sieht eine 72-jährige Entwicklungsperiode vor, die in drei Phasen unterteilt ist. Das Ziel besteht darin, die Waldbedeckung in den betroffenen Regionen von anfänglich 5,05 % auf 14,95 % zu erhöhen. Die Grüne Mauer verläuft von der westlichsten Provinz Xinjiang bis zur nordöstlichen Provinz Heilongjiang und bildet somit eine natürliche Barriere gegen die Ausbreitung der Wüsten Gobi und Taklimakan.

Ziele des Programms: Die Hauptziele des Drei-Nord-Schutzgürtel-Programms umfassen:

  • Bekämpfung der Wüstenbildung: Durch die Aufforstung soll die Ausbreitung der Wüsten gestoppt und rückgängig gemacht werden, indem große Flächen wieder begrünt werden.
  • Erhöhung der Waldfläche: Das Programm zielt darauf ab, die Waldfläche signifikant zu erhöhen, um die ökologischen und klimatischen Bedingungen zu verbessern.
  • Schutz der Böden: Die neu geschaffenen Wälder sollen Bodenerosion verhindern und die Bodenfruchtbarkeit erhöhen.
  • Wirtschaftliche Entwicklung: Neben ökologischen Zielen fördert das Programm auch die wirtschaftliche Entwicklung durch die Schaffung von Arbeitsplätzen in den Bereichen Forstwirtschaft und Landwirtschaft.
  • Erreichung globaler Umweltziele: Das Programm trägt zur Erfüllung der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) der Vereinten Nationen bei, insbesondere der SDGs 1 (Keine Armut), 2 (Kein Hunger), 13 (Maßnahmen zum Klimaschutz), 15 (Leben an Land) und 17 (Partnerschaften zur Erreichung der Ziele).

In den vergangenen Jahrzehnten hat das Drei-Nord-Schutzgürtel-Programm bedeutende Fortschritte erzielt, aber es steht weiterhin vor erheblichen Herausforderungen und Kritikpunkten, die in den folgenden Abschnitten detailliert behandelt werden.

Aktuelle Erfolge und positive Auswirkungen

Das Drei-Nord-Schutzgürtel-Programm hat seit seiner Einführung beachtliche Fortschritte erzielt. Zu den bemerkenswertesten Erfolgen gehört die Schaffung eines über 3.000 Kilometer langen grünen Gürtels, der inzwischen die gesamte Taklamakan-Wüste umgibt, wie kürzlich chinesische Staatsmedien euphorisch gemeldet haben. Dieses beeindruckende Projekt stelle laut der Regierung einen bedeutenden Meilenstein im weltweiten Kampf gegen die Wüstenbildung dar; die positiven Auswirkungen seien folgende:

Erhöhung der Waldbedeckung: Seit Beginn des Programms hat sich die Waldbedeckung in den betroffenen Regionen deutlich erhöht. Ursprünglich war das Ziel, die Waldbedeckung von 5,05 % auf 14,95 % zu steigern. Dieses Ziel wurde mittlerweile übertroffen, was zu einer signifikanten Verbesserung der ökologischen Bedingungen in diesen Gebieten geführt hat.

Bekämpfung der Wüstenbildung und Bodenerosion: Durch die Aufforstung konnten die Ausbreitung der Wüsten und die damit verbundene Bodenerosion eingedämmt werden. Die Schaffung von Wald- und Grünflächen hat dazu beigetragen, den Boden zu stabilisieren und die lokale Umwelt zu schützen.

Wirtschaftliche Entwicklung und Armutsbekämpfung: Neben den ökologischen Vorteilen hat das Programm auch bedeutende wirtschaftliche Auswirkungen. Die Entwicklung von Forst- und Obstwirtschaft hat dazu beigetragen, die Lebensbedingungen der lokalen Bevölkerung zu verbessern. Millionen von Menschen wurden aus der Armut befreit, und neue wirtschaftliche Möglichkeiten wurden geschaffen.

Schutz vor Naturkatastrophen: Die erhöhte Waldbedeckung und die verbesserten ökologischen Bedingungen haben die Widerstandsfähigkeit gegen Naturkatastrophen wie Stürme und Überschwemmungen gestärkt. Dies trägt zur langfristigen Sicherheit und Stabilität der betroffenen Regionen bei.

Globale Bedeutung und Anerkennung: Das Drei-Nord-Schutzgürtel-Programm hat international Anerkennung gefunden und gilt als Vorbild für ähnliche Initiativen weltweit. Es trägt zur Erreichung mehrerer nachhaltiger Entwicklungsziele bei und hat das Potenzial, als Modell für andere Länder zu dienen, die mit ähnlichen ökologischen Herausforderungen konfrontiert sind.

Diese Erfolge zeigen die (vermeintlich) positiven Auswirkungen des Programms auf die Umwelt und die Gesellschaft und unterstreichen die Bedeutung einer nachhaltigen und umfassenden Herangehensweise an die Bekämpfung der Wüstenbildung.

Das China Global Television Network unterstreicht die Vorteile der Grünen Mauer

Kritische Perspektiven und Herausforderungen

Trotz der beeindruckenden Erfolge des Drei-Nord-Schutzgürtel-Programms gibt es erhebliche Kritikpunkte und Herausforderungen, die nicht ignoriert werden dürfen.

Monokulturen und ökologische Bedenken: Ein Hauptkritikpunkt ist die extensive Nutzung von Monokulturen, insbesondere Pappeln, die ökologisch problematisch sind. Diese künstlichen Wälder sind weniger widerstandsfähig gegenüber Schädlingen und Krankheiten und bieten keine ausreichende biologische Vielfalt. Ein Beispiel dafür ist das Massensterben von Pappeln in Ningxia im Jahr 2000, das 20 Jahre Aufforstungsarbeit zunichte machte. Zudem führen Monokulturen zu einer schlechten Boden- und Wasserspeicherung, was die Umweltprobleme langfristig verschärfen kann.

Wasserknappheit und Ressourcenmanagement: Die Aufforstung in ariden und semi-ariden Regionen Chinas stellt eine große Herausforderung dar, da die Pflanzungen oft nicht die nötigen Niederschläge erhalten. Der hohe Wasserverbrauch der gepflanzten Bäume kann die ohnehin knappen Wasserressourcen weiter belasten und langfristig zu einer Verschlechterung der Situation führen. Kritiker argumentieren, dass die intensive Bewässerung die Grundwasservorräte erschöpfen und die Wüstenbildung letztlich verschlimmern könnte.

Soziale und wirtschaftliche Implikationen: Das Programm erfordert eine massive Mobilisierung der lokalen Bevölkerung, oft ohne ausreichende Rücksichtnahme auf deren traditionelle Lebensweisen und wirtschaftlichen Bedürfnisse. In Regionen wie der Inneren Mongolei hat die Begrenzung von Weideflächen durch die Aufforstung das traditionelle nomadische Leben stark beeinflusst. Zudem wird kritisiert, dass staatliche Mittel ineffizient verwaltet werden und die lokalen Gemeinschaften nicht ausreichend in die Entscheidungsprozesse einbezogen werden.

Langfristige Nachhaltigkeit und Effizienz: Wissenschaftler wie Jiang Gaoming und Hong Jiang argumentieren, dass das Programm in seiner derzeitigen Form langfristig nicht nachhaltig ist. Sie weisen darauf hin, dass die künstlichen Monokulturen oft nicht überleben, da sie nicht in Regionen gepflanzt werden, die für Waldwachstum geeignet sind. Zudem fehlt es an einer langfristigen Strategie, die natürliche Regeneration und die Wiederherstellung degradierter Ökosysteme zu fördern.

Politische Kontrolle und Top-Down-Ansatz: Die starke politische Kontrolle und der Top-Down-Ansatz bei der Umsetzung des Programms stehen ebenfalls in der Kritik. Experten fordern eine Dezentralisierung und eine stärkere Beteiligung lokaler Gemeinschaften und Einzelpersonen, um die Effizienz und Nachhaltigkeit der Maßnahmen zu verbessern. Direkte Investitionen in lokale Projekte und die Einbeziehung traditioneller Kenntnisse und kultureller Praktiken könnten dazu beitragen, die Herausforderungen besser zu bewältigen.

Diese kritischen Perspektiven und Herausforderungen zeigen, dass trotz der Erfolge des Drei-Nord-Schutzgürtel-Programms noch viel getan werden muss, um die Ziele der Wüstenbekämpfung und ökologischen Nachhaltigkeit vollständig zu erreichen.

The Impossible Build thematisiert u.a. die vielseitige Kritik am Projekt sowie alternative Ansätze (ab 4:50)

Alternative Ansätze und Empfehlungen

Um die Herausforderungen und Kritikpunkte des Drei-Nord-Schutzgürtel-Programms zu adressieren, sind alternative Ansätze und Empfehlungen von Wissenschaftlern und Umweltexperten entscheidend.

Natürliche Regeneration: Studien haben gezeigt, dass die natürliche Regeneration eine effektivere Methode zur Wiederherstellung degradierter Trockengebiete ist. Diese Methode unterstützt die natürliche Erholung der Vegetation ohne intensive menschliche Eingriffe, wodurch ein stabileres und nachhaltigeres Ökosystem entsteht.

Diversifizierte Bepflanzung: Anstelle von Monokulturen sollten vielfältige, einheimische Pflanzenarten verwendet werden. Das Pflanzen von Sträuchern, Gräsern und langsam wachsenden Bäumen kann die biologische Vielfalt erhöhen und die Resilienz gegenüber Krankheiten und Schädlingen verbessern.

Einsatz von Strohgittern: Das Anlegen von Strohgittern auf Sanddünen ist eine bewährte Methode, um die Bodenerosion zu kontrollieren und die Ansiedlung von Pflanzen zu erleichtern. Diese Technik stabilisiert den Boden und fördert das Wachstum einheimischer Vegetation.

Förderung von speziellen Industrien: In geeigneten Gebieten können spezialisierte Industrien wie der Anbau von Obstbäumen und Heilpflanzen gefördert werden. Diese Industrien bieten wirtschaftliche Vorteile und tragen gleichzeitig zur ökologischen Wiederherstellung bei.

Beteiligung der lokalen Bevölkerung: Die Einbeziehung der lokalen Gemeinschaften ist entscheidend für den Erfolg ökologischer Projekte. Traditionelles Wissen und kulturelle Präferenzen sollten berücksichtigt werden, um nachhaltige Lösungen zu entwickeln. Direkte Investitionen in Einzelpersonen und lokale Initiativen können die Effizienz erhöhen und die Abhängigkeit von staatlicher Kontrolle verringern.

Bildung und Bewusstseinsbildung: Es ist wichtig, das Bewusstsein für Umweltprobleme und die Bedeutung des Umweltschutzes zu schärfen. Bildungsprogramme und Öffentlichkeitsarbeit können helfen, die Bevölkerung über nachhaltige Praktiken zu informieren und ihre Beteiligung zu fördern.

Politische und institutionelle Änderungen: Ein Übergang von einem Top-Down-Ansatz zu einer dezentralisierten, partizipativen Governance ist notwendig. Dies erfordert eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Regierung, Wissenschaftlern und lokalen Gemeinschaften. Die Rolle der Regierung sollte sich darauf konzentrieren, Rahmenbedingungen zu schaffen und Unterstützungsmechanismen bereitzustellen.

Respekt für Natur und Kultur: Ein harmonisches Verhältnis zur Natur und die Achtung kultureller Werte sind grundlegende Prinzipien für nachhaltige Umweltprojekte. Anstatt die Natur zu dominieren, sollte der Ansatz darin bestehen, sie zu respektieren und mit ihr zu kooperieren.

Durch die Umsetzung dieser alternativen Ansätze und Empfehlungen kann das Drei-Nord-Schutzgürtel-Programm effektiver und nachhaltiger gestaltet werden, um die Herausforderungen der Wüstenbildung langfristig zu bewältigen und eine positive ökologische und soziale Wirkung zu erzielen.

Schlussfolgerung

Die „Grüne Mauer“ Chinas, das Drei-Nord-Schutzgürtel-Programm, stellt eines der ehrgeizigsten und umfangreichsten Umweltprojekte der Welt dar. Es hat in den letzten Jahrzehnten bemerkenswerte Erfolge erzielt, darunter die signifikante Erhöhung der Waldbedeckung und die Bekämpfung der fortschreitenden Wüstenbildung in weiten Teilen Nordchinas. Die positiven Auswirkungen auf die ökologische und wirtschaftliche Entwicklung sind unbestreitbar und haben Millionen von Menschen geholfen, aus der Armut zu entkommen und neue wirtschaftliche Chancen zu nutzen.

Dennoch gibt es erhebliche Herausforderungen und Kritikpunkte, die die langfristige Nachhaltigkeit des Projekts infrage stellen. Die extensive Nutzung von Monokulturen, die hohe Wasserknappheit und die fehlende Einbeziehung der lokalen Bevölkerung sind einige der zentralen Probleme, die das Programm bedrohen. Wissenschaftler und Umweltexperten betonen die Notwendigkeit alternativer Ansätze wie die natürliche Regeneration, die diversifizierte Bepflanzung und die stärkere Beteiligung der lokalen Gemeinschaften.

Um die Ziele der Wüstenbekämpfung und des Umweltschutzes nachhaltig zu erreichen, ist ein Wandel in der Herangehensweise erforderlich. Ein respektvoller Umgang mit der Natur und die Einbeziehung traditioneller Kenntnisse und kultureller Praktiken können dazu beitragen, die Effizienz und Wirksamkeit des Programms zu verbessern. Die Kombination von wissenschaftlichen Erkenntnissen und lokalem Wissen ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen und nachhaltigen Bekämpfung der Wüstenbildung.

Die Zukunft der „Grünen Mauer“ wird davon abhängen, wie gut es gelingt, diese Herausforderungen zu meistern und die notwendigen Veränderungen umzusetzen. Ein umfassendes Verständnis der ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhänge ist unerlässlich, um langfristige Lösungen zu entwickeln und die Umwelt sowie die Lebensgrundlagen der Menschen in den betroffenen Regionen zu schützen.

Quellen und weiterführende Literatur:

UN Department of Economic and Social Affairs, Sustainable Development: Three-North Shelterbelt Program
Xinhua Global Service: Another feat in human history! Taklimakan Desert encircled with green belt
futurezone: Chinas „Grüne Mauer“ ist jetzt über 3.000 km lang
Jiang Gaoming: China’s “green deserts”
Hong Jiang: Taking Down the „Great Green Wall“
Kaitlin Solimine: Cracks in the Green Wall