Ein Einblick in die psychologischen Barrieren und effektive Strategien zur Klimakommunikation.
Der Klimawandel ist zweifellos eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Trotz der alarmierenden wissenschaftlichen Erkenntnisse und der spürbaren Auswirkungen bleiben viele Menschen gegenüber der Dringlichkeit des Problems gleichgültig oder sogar skeptisch. Doch warum fällt es uns so schwer, angemessen auf diese globale Krise zu reagieren? Und wie können wir effektiver darüber kommunizieren, um echtes Handeln zu fördern?
In diesem Beitrag tauchen wir tief in die psychologischen Mechanismen ein, die unser Verhalten beeinflussen, und stellen Strategien vor, um Desinformationen entgegenzuwirken und konstruktive Dialoge zu fördern.
Die Psyche des Verdrängens: Warum wir den Klimawandel ignorieren
George Marshall, Gründer des britischen Think Tanks Climate Outreach, beleuchtet in seinem Buch „Don’t Even Think About It: Why Our Brains Are Wired to Ignore Climate Change“ die tief verwurzelten psychologischen Gründe, warum Menschen den Klimawandel ausblenden.
1. Schutzmechanismen des Gehirns
Unser Gehirn ist evolutionär darauf programmiert, auf unmittelbare Bedrohungen zu reagieren – solche, die plötzlich auftreten, persönlich sind und eine direkte Handlung erfordern. Der Klimawandel hingegen ist eine abstrakte, komplexe und langfristige Gefahr. Dies führt dazu, dass wir ihn als weniger dringlich wahrnehmen und oft verdrängen.
Beispielhaft erzählt Marshall die Geschichte des polnischen Widerstandskämpfers Jan Karski, der 1942 den USA von den Gräueltaten der Nazis berichtete. Trotz detaillierter Schilderungen konnte man ihm nicht glauben – das Ausmaß der Schrecken war einfach zu groß, um es zu begreifen. Ähnlich reagieren wir heute auf die Bedrohungen des Klimawandels.
2. Emotionale Distanz und Wahrnehmung von Risiken
Menschen reagieren stärker auf Risiken, die neuartig sind und von außen auferlegt werden. Da der Klimawandel schleichend ist und wir selbst dazu beitragen, fehlt oft das Gefühl der Dringlichkeit.
Zudem sind wir empfindlicher gegenüber Verlusten als gegenüber Gewinnen. Maßnahmen gegen den Klimawandel werden häufig als Einschränkungen oder Verluste wahrgenommen, was zu Widerstand führt.
3. Bestätigungsfehler und kognitive Dissonanz
Wir neigen dazu, Informationen zu suchen und zu glauben, die unsere bestehenden Überzeugungen bestätigen (Confirmation Bias). Gleichzeitig vermeiden wir Fakten, die uns unangenehm sind oder unsere Lebensweise infrage stellen (kognitive Dissonanz). Dies führt dazu, dass wir den Klimawandel ignorieren oder seine Bedeutung herunterspielen.
Die Macht der Desinformation: Wie Klimalügen verbreitet werden
Ingrid Brodnig, österreichische Journalistin und Expertin für Desinformation, erläutert in diesem Beitrag, wie Falschinformationen über den Klimawandel erstaunlich wirksam sind – oft trotz ihrer inhaltlichen Schwäche.
1. Der Wahrheitseffekt
Der Illusory Truth Effect besagt, dass die pure Wiederholung einer Aussage deren gefühlte Wahrhaftigkeit erhöht. Selbst wenn wir wissen, dass eine Information falsch ist, kann sie durch ständige Wiederholung an Glaubwürdigkeit gewinnen.
Beispiel: Die irreführende Behauptung, eine Studie im renommierten Fachjournal The Lancet habe gezeigt, dass der Klimawandel Menschenleben rette, da kältebedingte Todesfälle abnähmen. Obwohl die Aussage wissenschaftlich widerlegt ist, findet sie durch ständige Wiederholung Verbreitung.
2. Fünf Verharmlosungsstrategien
Brodnig identifiziert fünf gängige Strategien, um den Klimawandel zu verharmlosen:
- Leugnung des Klimawandels: Behaupten, er finde nicht statt.
- Abstreiten menschlichen Einflusses: Der Mensch sei nicht verantwortlich.
- Verharmlosung der Folgen: Es sei alles nicht so schlimm.
- Diskreditierung von Lösungen: Maßnahmen seien unwirksam oder schädlich.
- Misstrauen gegenüber Forschung und Aktivismus: Wissenschaftler und Aktivisten seien unzuverlässig.
Diese Strategien zielen darauf ab, Zweifel zu säen und Handlungsbereitschaft zu untergraben.
Effektive Strategien gegen Desinformation und Verdrängung
Angesichts dieser Barrieren stellt sich die Frage: Wie können wir effektiv kommunizieren, um Menschen zu erreichen und zum Handeln zu motivieren?
1. Die Technik des „Truth Sandwich“
Beim Korrigieren von Fehlinformationen empfiehlt Brodnig das „Truth Sandwich“:
- FAKT: Beginne mit der richtigen Information.
- WARNUNG: Weise auf die Fehlinformation hin.
- IRRGLAUBEN WIDERLEGEN: Erkläre, warum die Fehlinformation falsch ist.
- FAKT WIEDERHOLEN: Schließe erneut mit der korrekten Information.
Beispiel:
FAKT: „Der Klimawandel führt weltweit zu mehr hitzebedingten Todesfällen.“
WARNUNG: „Es kursiert die falsche Behauptung, die Erderwärmung rette Menschenleben, da weniger Menschen an Kälte sterben.“
IRRGLAUBEN WIDERLEGEN: „Diese Darstellung ist irreführend. Zwar sind kältebedingte Todesfälle zurückgegangen, aber die Zahl der hitzebedingten Todesfälle steigt an und überwiegt die Vorteile bei Weitem.“
FAKT WIEDERHOLEN: „Wissenschaftliche Studien zeigen klar, dass der Klimawandel die Gesundheitsrisiken erhöht und mehr Menschenleben gefährdet.“
2. Positive und lösungsorientierte Kommunikation
George Marshall betont, dass Überdramatisierung und Katastrophenszenarien oft zu Resignation führen. Stattdessen sollten wir:
- Handlungsmöglichkeiten aufzeigen: Menschen müssen wissen, dass ihr Handeln einen Unterschied macht.
- Im Hier und Jetzt ansetzen: Konkrete Auswirkungen des Klimawandels auf das tägliche Leben betonen.
- Gemeinschaft und Zugehörigkeit fördern: Ein gemeinsames Ziel und das Gefühl von Zusammenhalt motivieren stärker als individuelle Schuldzuweisungen.
3. Neue Botschafter und Geschichten nutzen
- Vielfältige Stimmen: Einbeziehung von Persönlichkeiten aus verschiedenen Bereichen – von Feuerwehrleuten über Unternehmer bis hin zu religiösen Führern – um unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen.
- Erzählungen statt Faktenlawinen: Geschichten bleiben im Gedächtnis und berühren emotional. Sie verbinden Fakten mit menschlichen Erfahrungen.
Beispiel: Ein Landwirt berichtet von den Herausforderungen durch Wetterextreme und wie er nachhaltige Praktiken einsetzt, um sein Land zu schützen.
4. Sprache bewusst wählen
- Verständliche Begriffe: Fachjargon vermeiden und Begriffe nutzen, die nicht missverstanden werden können.
- Positive Metaphern: Statt vom „Kampf gegen den Klimawandel“ zu sprechen, könnten wir von „Gemeinsam unsere Zukunft gestalten“ reden.
Von anderen lernen: Was Klimakommunikatoren von Kirchen und Gemeinschaften übernehmen können
Marshall hebt hervor, dass Institutionen wie Kirchen erfolgreich darin sind, Menschen zu vereinen und gemeinsame Werte zu vermitteln. Wir können davon lernen, indem wir:
- Gemeinschaftsgefühl stärken: Veranstaltungen und Initiativen schaffen, die Menschen zusammenbringen.
- Emotionale Räume bieten: Orte für Austausch, Trauer und Hoffnung ermöglichen.
- Rituale und Symbole nutzen: Sie können helfen, abstrakte Konzepte greifbarer zu machen und ein gemeinsames Verständnis zu fördern.
Die Rolle der Medienkompetenz
Das „Debunking Handbook 2020“ (auf Deutsch: „Widerlegen, aber richtig“) betont die Wichtigkeit von Medienkompetenz und kritischem Denken:
- Bildung fördern: Menschen sollten lernen, Quellen zu überprüfen und manipulative Techniken zu erkennen.
- Aktive Widerlegung: Wenn Fehlinformationen bereits verbreitet sind, sollte eine strukturierte Widerlegung erfolgen (siehe „Truth Sandwich“).
- Glaubwürdige Quellen nutzen: Informationen von vertrauenswürdigen Personen und Institutionen haben mehr Gewicht.
Gemeinsam gegen Desinformation: Was jeder tun kann
- Qualitätsinformationen teilen: Teile Beiträge von vertrauenswürdigen Experten und Wissenschaftskommunikatoren wie Mai Thi Nguyen-Kim oder Stefan Rahmstorf.
- Aktiv werden: Engagiere dich in lokalen Initiativen oder Organisationen, die sich für Klimaschutz einsetzen.
- An Gesprächen teilnehmen: Führe offene Dialoge mit Freunden und Familie, ohne zu belehren. Höre zu und teile dein Wissen konstruktiv.
- Medienkompetenz fördern: Unterstütze Bildungsprogramme oder Workshops, die kritisches Denken stärken.
Fazit: Den Teufelskreis durchbrechen
Der Klimawandel ist nicht nur eine ökologische Herausforderung, sondern auch eine psychologische. Indem wir die Mechanismen verstehen, die uns oft daran hindern, aktiv zu werden, können wir effektivere Kommunikationsstrategien entwickeln.
Es liegt an uns allen, Desinformation entgegenzuwirken, konstruktive Gespräche zu führen und gemeinsam Lösungen zu finden. Durch Empathie, klare Kommunikation und gemeinsames Handeln können wir den Klimawandel nicht nur thematisieren, sondern auch nachhaltig bekämpfen.
Weiterführende Lektüre:
- George Marshall: Don’t Even Think About It: Why Our Brains Are Wired to Ignore Climate Change
- Ingrid Brodnig: Wider die Verrohung. Über die gezielte Zerstörung öffentlicher Debatten
- Stephan Lewandowsky, John Cook [Hg.]: Debunking Handbook 2020 / Widerlegen, aber richtig
- Webseiten:
- Sceptical Science: Wissenschaftlich fundierte Widerlegungen von Klimamythen.
- klimafakten.de: Fundierte Informationen und Faktenchecks zum Klimawandel.
- Climate Outreach: Organisation zur Verbesserung der Klimakommunikation.