Sechzehn Workshops und rund 90 Vortragende: Damit waren die 4. Tage der Kultur- und Sozialanthropologie am 10. und 11. April 2008 ähnlich umfangreich konzipiert wie im letzten Jahr. Gemeinsam vom Institut, der Forschungsstelle für Sozialanthropologie der Akademie der Wissenschaften und dem Museum für Völkerkunde veranstaltet, dienen sie der Vernetzung der Fachgemeinschaft. Sie stellen vor allem für junge WissenschafterInnen eine wichtige Möglichkeit dar, ihre Arbeiten zu präsentieren. Das Echo seitens der unteren Semester blieb jedoch leider gering.
Tag 1 – 10. April 2008
Den Auftakt zur Veranstaltung gab Dr. Mareile Flitsch von der Technischen Universität in Berlin. Sie sprach über „die Chancen einer Erforschung praktischen Alltagswissens für die moderne Ethnologie“. Herkömmliche Fertigkeiten werden zunehmend verdrängt, wertvolle Wissenspotenziale gehen verloren. Am Beispiel Chinas zeigte Dr. Flitsch auf, welchen Beitrag Technikethnologie zum Erhalt dieser Potenziale leisten kann.
Die folgenden Workshops können aufgrund ihrer großen Bandbreite nur skizzenhaft wiedergegeben werden. „Anthropologie des Pilgerns“ zeigte in vielen Regionen die Zunahme volksreligiöser Praxis aufgrund neuer technischer Möglichkeiten und die damit einhergehende „spirituelle Globalisierung“ auf. Der Workshop „Jenseits der Anthropologie“ verdeutlichte, dass Ansätze wie Hybridisierung und Kreolisierung zur Erklärung postkolonialer Gegenwart oft nicht mehr ausreichen.
Der erste Tag schloss mit einer Reihe von Buchvorstellungen: Prof. Elke Mader präsentierte ihr aktuelles Buch Anthropologie der Mythen und Dr. Christian Feest ein Reihe von Publikationen von Museum und dem Archiv für Völkerkunde. Dr. Marie-France Chevron stellte die finale Publikation der Wiener Ethnohistorischen Blätter Erscheinungsformen des Wandels vor und kündigte anschließend eine Folgezeitschrift an, die sie gemeinsam mit Prof. Werner Zips herausbringen wird.
Tag 2 – 11. April 2008
Am zweiten Tag zeigte eine Reihe von ReferentInnen, dass „Kultur- und sozialanthropologisches Know-how in unterschiedlichen Berufsfeldern“ außerhalb des Wissenschaftsbetriebes Anwendung findet. Der Workshop „dagegen!“ untersuchte Subkulturen, Jugendkulturen und Szenen wie das „Schwarze Wien“ mittels anthropologischer Ansätze. Details zu den erwähnten und weiteren Workshops finden sich im Book of Abstracts.
In der abschließenden Podiumsdiskussion zum „ungeliebten, verkannten und vergessenen“ Museum für Völkerkunde in Wien wurde unter der Moderation von Dr. Thomas Fillitz heftig über dessen Zukunft debattiert. Dr. Paul Frey, kaufmännischer Geschäftsführer des Kunsthistorischen Museums, hob den potenziellen Eventcharakter hervor. Wir leben in einer „Erlebnisgesellschaft“, wird das berücksichtigt, könnten Museen zukünftig boomen. Ein Konzept, das offenbar auch bei der aktuellen Tutanchamun Ausstellung verfolgt wird. Dr. Dieter Bogner, der Moderator der Zukunftsdiskussion über die Bundesmuseen, hob hervor, wie dringend es ist, eine neue Identität und ein neues Profil zu finden. Es schloss sich eine Diskussion um einen möglichen neuen Namen des Museums an, nicht zuletzt wegen des belasteten Begriffes Volk. „Kulturhistorisches Museum“ würde Gleichreihung mit den Kunst- und Naturhistorischen Museen bedeuten. Prof. Andre Gingrich schlug „Museum der Weltkulturen“ vor. Weitgehend ausgespart wurde in der Diskussion die Rückgabe geraubter Kulturschätze. Das ist jedoch eine Frage, die noch beantwortet werden sollte, bevor man sich ein „Weltkulturmuseum“ nennen darf.
Wie Prof. Gingrich sagte, der Streit um das Völkerkundemuseum muss ein öffentlicher sein. Eine Öffentlichkeit, die ich auch den Tagen der Kultur- und Sozialanthropologie in ihrer Gesamtheit wünschen möchte.
* Dieser Text erschien erstmals in Die Maske – Zeitschrift für Kultur- und Sozialanthropologie, Vol. 3
* Update: Das ehemalige „Völkerkundemuseum“ nennt sich nun Weltmuseum Wien.