Rezension: Der Futurologische Kongress – Stanisław Lem

Rezension: Der Futurologische Kongress – Stanisław Lem
Lesedauer: 2 Minuten
Buchcover: Der Futurologische Kongreß
Deutschsprachige Übersetzung von 1974 im Suhrkamp Verlag (1979)

 

Der Raumfahrer Ijon Tichy (auch bekannt aus Lems Sterntagebüchern) nimmt an einem Kongress der Zukunftsforscher_innen in Costricana teil, als ein Bürger_innenkrieg ausbricht. Die eingesetzten psychochemischen Kampfstoffe schicken den Ich-Protagonisten auf Reise in eine ferne Zukunft: in eine überbevölkerte Welt der „Chemokratie”, in der über das Wetter abgestimmt wird und Tote auf Wunsch wiederbelebt werden können. Glück, Wohlstand und Frieden für jede(n) werden möglich durch „Psychemie”: denn die Einnahme von Psychopharmaka gehört inzwischen zu den menschlichen Umgangsformen. Sogar der Nobelpreis wird durch die Einnahme einer Pille alltäglich. Doch die selbst verabreichten „Maskone” bilden nur den illusionären Schleier, der von der schrecklichen Wirklichkeit ablenkt. In wahnwitzigem Tempo, getragen von selbsterklärenden Neologismen, hat Stanisław Lem schon in den 1970ern aufgezeigt, dass die schlimmste mögliche Zukunft nur eine Matrix menschlicher Selbstverdummung sein kann.

 

„Die Entwicklung mußte diese Richtung nehmen, seit auf Narkotika und Urhallozinogene die stark selektiv wirkenden sogenannten Psychofokussierer gefolgt waren. Doch der eigentliche Umschwung fand erst vor fünfundzwanzig Jahren statt, als die Maskone synthetisiert wurden […] Narkotika trennen den Menschen nicht von der Welt; sie verändern nur sein Verhältnis zu ihr. Halluzinogene verwirren und verschleiern die ganze Welt. […] Die Maskone aber – die fälschen die Welt!

Das ist Antich, aus der Gruppe der Wachpulver, ein starkes Gegenmittel gegen die Psychemie […] das bloße Mittragen gilt als Kapitalverbrechen. […] Mit bebenden Händen entkorkte ich das Fläschchen […] der herrliche Saal mit den Majolika-Wänden, Teppichen, Palmen, prunkvoll schimmernden Tischen und einem im Hintergrund postierten Kammerorchester, […] das alles war verschwunden. Wir saßen an einem nackten Holztisch in einem Betonbunker; unsere Füße versanken in einer arg zerschlissenen Strohmatte. […] statt der Silberschüssel, worin auf knusprigem Brot das Rebhuhn geduftet hatte, stand vor mir ein Teller aus Steingut; darauf lag ein unappetitlicher graubrauner Breiklumpen.“

Der Stoff von Lems Sterntagebüchern wurde übrigens sehr frei in der Serie Ijon Tichy: Raumpilot umgesetzt, die 2007 und 2011 im ZDF lief:

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